Der perfekte Nachfolger

Der perfekte Nachfolger

Was macht eine gute Fortsetzung aus?

Der Nachfolger: Ein Konzept, dass schon wesentlich älter ist als die Welt der Videospiele. Auch in der Filmszene und in Romanen gibt es zahlreiche Beispiele für Nachfolger oder ganze Reihen. In der Videospielbranche ist das Konzept aber wohl mit am verbreitetsten. Heutzutage fordern Fans zu praktisch jedem guten Spiel eine Fortsetzung, was wiederrum für eine regelrechte Übersättigung sorgt. Nicht wenige von besagten Weiterführungen sind grau, uninspiriert und nicht im Ansatz mit dem zu vergleichen, was die Fans am Original geliebt haben. Viele Videospielmacher scheinen gar nicht wirklich zu wissen, wie sie ein erstklassiges Spiel weiterführen. Oftmals sind Fortsetzungen in diesem Marktbereich nur eine einfache Art Geld zu machen. Trotzdem gibt es auch viele Entwickler, die aus Passion und Liebe zur eigenen Marke Fortsetzungen erschaffen. Seltsamerweise kann es auch in diesem Fall zu gemischten Ergebnissen kommen. Die Frage ist also, ob es ein Erfolgsrezept gibt, um den perfekten Nachfolger zu erschaffen. Was macht die grossen Videospiel-Nachfolger der letzten Jahrzehnte so grossartig? Dieser Frage werden wir in diesem Artikel auf den Grund gehen.

Zu Beginn möchte ich gleich einmal auf eines der meistgenannten Spiele eingehen, wenn es um gute Fortsetzungen geht: Portal 2. Der Nachfolger zum beliebten Rätselplattformer von Valve wird noch heute, fast zehn Jahre nach Release, von vielen förmlich in den Himmel gelobt. Im Verlaufe dieses Artikels werden wir drei Herangehensweisen besprechen, die ein Entwicklerteam bei einer Fortsetzung haben kann. Portal 2 fällt in die erste und sicherste dieser Optionen. Da Portal 1 schon unfassbar beliebt bei Spielern aller Art war, entschied man sich, im Nachfolger vieles beim alten zu lassen. Oder bessergesagt, von all dem guten in Portal 1 gibt es in Portal 2 einfach viel mehr. Das Gameplay und die Rätsel sind zwar mit neuen Elementen wie den Gelen und Konzepten wie den Trampolinplattformen erweitert worden, trotzdem fühlt sich alles im Grossen und Ganzen noch immer wie im ersten Teil an. Noch immer wird jedes Rätsel mit dem Platzieren einiger Portale gelöst. Etwas, dass bei einem so fundamentalen Spielkonzept auch keineswegs unerwartet ist.

Eine Testkammer rund um die neuen Gele

Weiter wurden Dinge, die den ersten Teil für Spieler so einzigartig gemacht hat, ausgebaut. Das Gefühl der Isolation wird durch einen enormen Zeitsprung enorm verstärkt, die subtile Handlung erhält eine neue Tiefe und selbst KI-Antagonistin GLaDOS erhält im zweiten Teil eine wesentlich zentralere Rolle. Mit dem neuen Charakter Wheatley, dem kleinen Personalitätskern, wird die Palette an liebenswerten Maschinen noch einmal erweitert. Neben dem erweiterten Multiplayer bleibt Wheatley aber mit eine der einzigen tiefgreifenden Neuerungen, die Portal 2 mit sich bringt. Insgesamt bestand für die Entwickler also ein ziemlich tiefes Risiko. Einfach mehr vom alten ist ein Konzept, dass die meisten Videospielentwickler bei der Entwicklung eines Nachfolgers anwenden. Im Falle von Portal 2 war das vermutlich auch die richtige Entscheidung, da es ja auch alles, was den ersten teil so gut gemacht hat, verbessert. Es ist recht einleuchtend, dass sich der Nachfolger eines ohnehin schon beliebten Spiels ebenfalls einer grossen Beliebtheit erfreut. Allerdings ist dies auch die meiner Meinung nach langweiligster Art, an einen Nachfolger heranzugehen. Nach meinem ersten Playthrough von Portal 2 war ich durchaus begeistert, nachdem sich der anfängliche Enthusiasmus jedoch gelegt hatte, fragte ich mich nur eins: War das wirklich Innovation genug? Andere Beispiele für diese Art von Nachfolger sind die Tomb Raider Reboots und die Super Mario Bros. Reihe.

Eine der verlassenen Testkammern

Fortsetzungen kann man jedoch auch aus einer komplett gegenteiligen Perspektive angehen. Anstatt mit bewährten und sicheren Konzepten vorzugehen, kann man einen Nachfolger auch so vom Original abheben, dass die Reihe kaum wiederzuerkennen ist. Als Paradebeispiel gilt hier The Legend of Zelda: Majoras Mask. Aufgrund der unglaublichen Beliebtheit von Ocarina of Time wusste Nintendo, dass so schnell wie möglich ein Nachfolger hermusste. Zwar waren direkte Nachfolger in der Zelda-Reihe ein bislang unangetastetes Areal, trotzdem veröffentliche Nintendo nur 2 Jahre später im Jahre 2000 Majoras Mask. Direkter Nachfolger sollte hier aber in Anführungszeichen stehen, da die beiden Spiele neben dem Hauptcharakter Link, der Engine und dem Grafikstil wenig gemeinsam haben. Majoras Mask sticht sofort heraus, wenn man sich die Historie der Zelda-Spiele einmal genauer anschaut, aber woran liegt das?

Illustration des Horror Kids aus Majoras Mask

Nun, Majoras Mask wird von vielen als das düsterste Zelda bezeichnet, da es sich aktiv mit Themen wie Tod, Verlust und auch Horror auseinandersetzt. Das alleine hebt es schon von dem hauptsächlich positiv gestimmten Ocarina of Time ab. Dazu kommt aber noch das Zeitreisekonzept des Spiels. Alle drei In-Game-Tage ist der Spieler gezwungen, die Zeit zurückzudrehen, bevor der Mond auf die Erde herabstürzt und alles zerstört. Dabei gehen ihm viele Items verloren und nur die wichtigsten Fortschritte bleiben erhalten. Das Spiel fordert also ein gewaltiges Mass an Zeitmanagement. Die kurze Zeit, in der die Handlung sich abspielt, ermöglicht auch eine viele lebendigere Spielwelt. Jeder Charakter hat einen festen Handlungsablauf, der sich über die drei Tage hinweg erstreckt. Ganz anders als die starren NPCs des Vorgängers, die einfach nur immer dasselbe taten. Link selbst wurde ebenfalls einer Neugestaltung unterzogen. Neben seinen Standardfähigkeiten findet er nun im Spiel nämlich auch Transformationsmasken, die ihn in andere Rassen der Spielwelt verwandeln können. Diese Masken verändern und erweitern das Spielprinzip gewaltig. Es ist beinahe so man einen anderen Charakter spielen. All diese untypischen Änderungen sind der Grund dafür, warum Majoras Mask so gut bei Spielern ankam. Jedoch birgt es auch ein gewaltiges Risiko, einen Nachfolger in einem solchen Mass vom Vorgänger abzuheben. Viele Spieler waren damals auch durch die vielen spieltechnischen und thematischen Änderungen abgeschreckt. Vor allem das limitierte Zeitsystem sorgt heute noch für eine gewisse Abneigung bei manchen Spielern. Man fragt sich, wie weit man mit Veränderung gehen kann, ohne dass Fans der Reihe sich entfremdet fühlen. Wie viel Innovation ist zu viel Innovation? Andere Beispiele dieser Art wären der God of War Reboot und Final Fantasy Spiele.

Der Mond, wie er auf nach drei Tagen auf die Erde hinabstürzt

Der Schluss liegt also nahe, dass die beste Fortsetzung diejenige ist, die das angemessene Mass an Tradition und Innovation perfekt trifft. Glücklicherweise gibt es ein Spiel, dass diesen schmalen Grad nicht nur perfekt trifft, sondern ihn auch spielerisch trifft und Saltos auf ihm macht. Ori and the Will of the Wisps ist meiner Meinung das Paradebeispiel dafür, was eine perfekte Fortsetzung ausmacht. Schon der Vorgänger, Ori and the Blind Forest war ein ausserordentliches Spiel, dass aus der der modernen Spielemasse herausstach. Ein Effekt, den es unter anderem durch wunderschöne Musik und Grafik, innovatives Metroidvania-Gameplay und einer mitreissenden Story zustande bringt. Will of the Wisps setzt in jedem dieser Bereiche nochmal einen drauf und fügt auch viele neue Elemente und Mechaniken hinzu, die es auch bemerkbar vom Vorgänger abheben. Doch was im genauen macht Oris zweites Abenteuer so gut?

Wie bereits erwähnt vereint Will of the Wisps die beiden vorherigen Herangehensweisen bei der Kreation einer Fortsetzung perfekt. Elemente wie das genaue und abwechslungsreiche Plattformen, die schöne Grafik und Musik, die vielen versteckten Items, die spannenden Fluchtsequenzen, das Backtracking in der vernetzten Welt und die herzerwärmende Handlung werden in jedem Bereich erweitert und verbessert. Aufgrund der ausgeprägteren Unterstützung von Microsoft hatten die Mitarbeiter von Moon Studios hier nicht nur mehr finanzielle, sondern auch mehr kreative Freiheiten. Allein mit diesen Ausarbeitungen wäre Will of the Wisps als ein unglaublich guter Nachfolger dagestanden. Was das Spiel aber weiter ausmacht, sind die neuen Ideen und kreativen Korrekturen, die es auf den Tisch bringt. Das eintönige Kampfsystem des ersten Teils wird im Nachfolger durch neue Waffentypen, epische Bosskämpfe und das neue Geistersplitter-System fundamental verbessert. Auch das Erkundungsbasierte Gameplay, dass nur auf dem Suchen und Finden von Secrets wie Energie- und Lebenszellen bestand, wird durch neue Komponenten wie Kampfschreine, Geisterrennen und Side-Quests erweitert. Allgemein wirkt die Spielwelt durch neue NPCs und ihren Geschichten viel verbundener und lebendiger. Ori and the Will of the Wisps verbindet also das beste beider Welten. Etwas, was mit einer der Gründe ist, warum es sich als mein Lieblingsspiel für immer in mein Herz eingebrannt hat.

Einer der Kampfschreine in Ori and the Will of the Wisps

Abschliessend fragen wir uns nun noch einmal: Was macht die perfekte Fortsetzung aus? Die Antwort auf diese Frage ist auf eine gewisse Weise sehr einfach, aber auch recht komplex umzusetzen. Ein perfekter Videospielnachfolger verbessert nicht nur Konzepte und Elemente aus vorherigen Teilen. Ein perfekter Nachfolger verwirft nicht einfach den Grossteil eines ohnehin schon grossartigen Vorgängers, um eine gänzlich neue Erfahrung zu schaffe. Nein, ein perfekter Nachfolger vereint diese beiden Ansätze, er verbindet Tradition mit Fortschritt. In der Praxis ist diese Grundidee aber wie bereits erwähnt gar nicht so einfach umzusetzen. Nur wenige Spiele konnten diese Herangehensweise bis jetzt verwirklichen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir schon bald einen Anstieg im Bereich der ausgewogenen Fortsetzungen sehen werden. Gespannt erwarte ich schon Spiele wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild 2 und Hollow Knight: Silk Song. Spiele, bei denen ich sicher bin, dass sie genau den rechten Weg einschlagen werden. Einen Weg des Gleichgewichts.

Ori und Ku über den Wäldern von Niwen

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